WUD Würzburg 2025 | Rückblick
In einem vierstündigen Workshop beschäftigten sich die Teilnehmenden des WUD Würzburg im Ideenlabor des ZDI mit dem Thema Emerging Technologies and Human Experiences. Von den Erkenntnissen sollen alle profitieren dürfen, daher hier der ausführliche Ergebnisbericht!
tl;dr: Emerging Technologies (derzeit KI) bieten das Potential lästige Arbeit effizienter zu gestalten, wenn wir sie bedacht und gezielt einsetzen wo sie tatsächlichen Mehrwert bringen. Als Wunderheilmittel missverstanden flachen sie die Innovationskurve ab und werden zum Milliardengrab.
Stephan Huber | Literaturschau zum Status-Quo des Human-AI Teamings
Letztes Jahr malten wir uns beim WUD Würzburg das Gute Neue Leben mit Human-AI Teams aus. Doch wie sieht es heute aus?
Dass KI ein ambivalentes Thema ist fängt bereits in der GermanUPA selbst an — so ist laut Branchenreport 2025 „Artificial Intelligence“ zugleich das meist begeisternde als auch das nervendste Thema unter den UX/Usability Professionals. Daher eröffnete Stephan Huber den WUD Würzburg 2025 mit einer Literatur und Presseschau rund um KI. Während KI in Laborstudien bereits Führungsqualitäten attestiert werden, sieht die Realität im Feld anders aus. Branchenübergreifend investieren Unternehmen Milliarden in eigene KI-Systeme, doch 95% der Projekte scheitern.
Stattdessen greifen Mitarbeitende auf allgemeine KI-Tools zurück und verursachen ihren Kolleg:innen Mehraufwand durch „workslop“. Ursache für dieses high adoption / low transformation Missverhältnis sind der Mangel ordentlicher User Research und daraus folgend eine fehlende Kontextualisierung der KI-Tools. Auch in Deutschland nutzen zwar laut einer Studie der Randstad Stiftung 60% der Befragten regelmäßig KI im Job; das wird jedoch meist nicht offen besprochen und untergräbt Vertrauen zwischen Mitarbeitenden und Führung sowie innerhalb von Teams. Gängige KI Modelle priorisieren die „Wahrheit“ aus ihren Trainingsdaten über Aussagen der Nutzenden. Speziell für User Research, die ja mentale Modelle der Nutzenden erheben nicht korrigieren soll ist der Einsatz von KI-Modellen daher fragwürdig.
„Wie also können wir vom Potential neuer technologischer Entwicklungen profitieren und gleichzeitig Interessen, Bedürfnisse und Wohlergehen unserer User priorisieren? Wie schöpfen wir als UX Professionals das Potential von KI-Tools aus?“
— Forschungsfragen des WUD Würzburg 2025
David Heidrich | Impulsvortrag zur Gestaltung der ORH-KI
In einem Impulsvortrag gab David Heidrich Einblicke in den User-Centered Designprozess von KI-Tools am Bayrischen Obersten Rechnungshof (ORH). Der ORH bietet seinen Prüferinnen und Prüfern mit der ORH-KI eine Reihe von selbstentwickelten spezialisierten leicht zugänglichen KI-Helferlein, die ausschließlich auf eigenen geschützten Servern des ORH betrieben werden. Ein generisches Chat‑Fenster mag zwar flexibel wirken, doch für die meisten
Aufgaben führt es häufig zu Ablenkungen und unnötigem Aufwand die richtigen Fragen zu formulieren, den Kontext zu setzen und die Antworten zu interpretieren. Stattdessen wird das Layout und die Interaktionsform der KI-Interfaces gezielt auf die konkrete Aufgabe abgestimmt. So brauchen Nutzende keine Kenntnisse über die dahinterliegenden Algorithmen und KI‑Modelle, die sich regelmäßig ändern und verbessern. Dennoch entscheiden Prüferinnen und Prüfer selbst, ob und wann sie sich unterstützen lassen. Die Weiterentwicklung der einzelnen Helferlein geschieht durch intensiven Austausch mit den Endnutzenden. Regelmäßige Workshops und Interviews stellen sicher, dass das Design stets an den realen Bedürfnissen ausgerichtet bleibt. Auch Power‑User, die besonders intensiv mit der KI arbeiten, geben wertvolles Feedback. So entstehen kontinuierlich neue Ideen, die die Beschäftigten weiter
entlasten und die Effektivität und Qualität von Prüfungstätigkeit und Verwaltung weiter steigern. Von der KI-Unterstützung können am Ende auch die
geprüften Stellen profitieren.
Lewe Lorenzen | Workshop zu Prototyping with AI
Lewe Lorenzen identifizierte zwei beispielhafte Workflows beim KI-unterstützten Prototyping: einerseits Prototypen die aus reinen Textprompts generiert werden und andererseits Prototypen, die auf Designs oder Sketches aufbauen. Im Workshop lud Lewe Teilnehmende zum Erfahrungsaustausch rund um Protoyping mit KI ein. Kern-Ergebnisse waren, dass zwar einige Systeme bekannt sind, aber die wenigsten häufig genutzt werden, teils aufgrund teurer
Lizenzgebühren. Zum Einsatz kommen die Systeme sehr vielfältig, etwa für das Brainstorming von Texten oder visueller Ideen, die Generierung ganzer Templates oder kleinere Prozessschritte wie das Freistellen graphischer Elemente oder die Umsetzung einzelner Gestaltungsanweisungen. Hürden liegen im hohen Einarbeitungsaufwand, der sich nicht rentiert für die oft schnelllebigen Tools, welche bald veraltet oder durch ein anderes System abgelöst sind. Ein Problem für iterative und vor allem Nutzerzentrierte Designprozesse ist, dass meist unklar bleibt, warum genau überhaupt eine Designentscheidung
getroffen wurde. Derzeit bekannte Systeme können nicht auf die Fülle der User Research zugreifen, Design Vorgaben (Corporate Identity) sind schwer zu integrieren und es bleibt unklar, welche Normen in der jeweiligen KI stecken. Ergebnisse sind daher entweder inkonsistent oder so generisch, dass einerseits ihr Innovationsgehalt fraglich ist, andererseits das Ergebnis obgleich teurer errechnet bestehende Templates kaum übertrumpft. Letztlich und gerade im kommerziellen Bereich ist zudem fraglich, ob es sich anbietet Systeme zu nutzen, deren Output auf (nicht kommunizierten) Urheberrechtsverletzungen fußt.
Tamara Friedenberger | Workshop zu Prototyping AI-Experiences
Vor Tamara Friedenberger die WUD Teilnehmenden aufforderte Alltagsobjekte mit KI zu erweitern, brachte sie Klarheit bezüglich der Terminologien smart, Künstlicher Intelligenz (KI), Machine Learning (ML) und Computer Vision (CV). Diese werden im Marketing und öffentlichen Diskurs oft schwammig bis austauschbar verwendet. In der hands-on Session entstanden aus Karton, Styropor, Pfeifenputzern, Moosgummi, Wackelaugen und detaillierte Sketches KI-Helferlein für vielfältige Einsatzgebiete: von der zweiten Tastatur nur für KI-Prompting am Büroarbeitsplatz über Fullbody-Sensoren welche die Arbeitsverteilung in der Lagerlogistik optimieren bis zur intelligenten Tischtennisplatte, die Spielenden langsam auf Olympia-Niveau hochtrainiert; oder dürfen es eine KI-Katze als Begleitung in Alltag und Ausbildung sein, oder ein Companion, der sich wage Gefühle anhört ohne direkt Rückmeldung in Form einer Lösung anzubieten? Für all diese Objekte warf Tamara Friedenberger die Frage auf, ob sie durch KI wirklich besser geworden sind, KI für die gelungene Interaktion nötig ist? Die daraus entstehende Diskussion um den Nutzen und das Risiko in den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten warf Spannungsfelder auf, bei denen nicht klar ist wo genau die Grenzen verlaufen: Datensparsamkeit vs. Überwachung, Effizienzsteigerung unspaßiger Aufgaben durch technischen Fortschritt vs. unmenschlich wirkendes Produkt, KI als Unversalexperte vs. Spezialist für einzelne Aufgaben … und hier führte die Diskussion wieder zum Beginn des Workshops: derzeit ist KI ein Buzzword, mit unterschiedlichen Definitionen. Während der KI-Hype die oft nicht genau beschriebene Technologie im Managementkreisen als Wundermittel für betriebswirtschaftliche Effizienzsteigerung und Personalkostensenkungen vermittelt, bräuchte es für echte Innovation in Designprozess Menschen, die über den Lösungsraum der generischen Trainigsdaten hinausblicken. Als UX-Professionals sollten wir klar benennen können, worin der Mehrwert durch KI in unseren Prozessen und Produkten besteht um überhöhte Erwartungen bei Nutzenden (und uns selbst) nicht zu enttäuschen.
So what? Takeaways aus der Diskussion
Müssen wir bzw. unsere User die neue Technologie komplett verstehen, um sie erfolgreich* einzusetzen? Wahrscheinlich nicht. Computer und Autos verstehen ja auch nicht alle bis in technische Tiefe; ein grundständiges Verständnis zu Funktionen und Konsequenzen ist für die Nutzung jedoch nötig. Nicht-Verstehen löst Angst und Unsicherheit bei der Nutzung aus. Eine Lösung ist, Nutzenden bei Herausforderungen, die ihren täglichen Umgang mit KI-Systemen
übersteigen menschliche Expert:innen als Anlaufstelle anzubieten – analog zur Auto-Werkstatt und Systemadministration. Präventiv kann man KI für sehr spezifische Aufgaben in Tools und Apps packen, um Nutzende nicht mit „dem ganz großen Modell“ und nötigen Wissen über alle Parameter zu überfordern.
Brauchen wir neue Methoden wenn es um Emerging Technologies geht? Worin unterscheidet sich unser Vorgehen – was ändert sich für uns als User / Designer / Developer? Vor allem sollten Erwartungen auf allen Seiten nicht überspitzt werden. „Emerging“ Technologies befinden sich per Definition noch
in Entwicklung, sind also noch imperfekt. Daraus resultierende Einschränkungen sollen kommuniziert werden sowohl über das Interface selbst als auch Vertrieb/Schulungen. So gesehen ist KI nur eine weitere Technologie, deren Einführung in Unternehmen und Privatleben Fingerspitzengefühl verlangt. Die Prozesse sind nach der KI-Einführung oft die gleichen, lediglich manche Umsetzungsschritte werden verkürzt wodurch sich Rollen verändern.
KI ist kein Allheilmittel. Gerade für Innovationsprozesse ist ein tiefes Verständnis menschlicher Bedürfnisse erforderlich. KI-Einsatz produziert effizient (bestenfalls funktionierende) Generika, verflacht dabei jedoch immer die Innovationskurve. Daher sollten Anforderungsanalysen für Innovationsprozesse auf menschlichen Kontakt und Austausch mit Nutzenden bauen, welche ein tiefes, empathisches Verständnis für den Gesamtkontext bieten. Sollten wir KI
pauschal aus unserem Gestaltungsprozess verbannen? Keineswegs. Wenn wir davon ausgehen können, dass KI bei Prozessschritten identische Ergebnisse bringt (etwa bei der automatischen Transkription oder Übersetzung von Interviews), kann sie menschlichen Aufwand immens reduzieren. Lasst uns sinnvolle Einsätze von Emerging Technologies also weiterhin neugierig erkunden — mit User Needs als treibendem Faktor für Interaktion mit neuen Technologien statt überhöhter Erwartungen des Managements.
Vielen Dank an alle Teilnehmenden sowie den Partnern und Sponsoren des WUD2025:
- Jo’s Creative für das großartige, maßgeschneiderte Design
- dem ZDI für die perfekt geeigneten Räumlichkeiten
- adMates für das verlässliche Bronzesponsoring
- der German UPA für die Unterstützung der Organisation
Bilder: Nathalie Papenfuß, Benjamin Nádas
Text: Nathalie Papenfuß, Stephan Huber
Beitragende zum WUD
David Heidrich
Bayerischer Oberster Rechnungshof
David Heidrich ist Data Scientist am ORH und hat einen Background in Human-Computer Interaction.
David Heidrich brachte den Impulsvortrag zur „Gestaltung der ORH-KI“ zum WUD Würzburg 2025 mit.
Lewe Lorenzen
Pussel
Lewe Lorenzen ist HCI-Masterstudent an der Universität Würzburg und Gründer von Pussel, einer KI-basierten Lesehilfe, die aus seinem Masterprojekt entstanden ist. Sein Fokus liegt auf Accessibility Design, Prototyping und der Entwicklung von Progressive Web Apps.
Lewe Lorenzen trug den Workshop „Prototyping with AI“ zum WUD Würzburg 2025 bei.
Tamara Friedenberger
Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie
Tamara Friedenberger studierte Psychologie (B.Sc.) und Human-Computer-Interaction (M.Sc.) in Würzburg und promoviert zur Gestaltung von interaktiven Datendarstellungen, die Betrachtende zur kritischen Auseinandersetzung mit fehlenden oder verschwiegenen Aspekten in Daten anregen sollen. Ihre Forschungsinteressen umfassen des Weiteren Feminist HCI, quantitative und qualitative Methoden sowie die Gestaltung technik-mediierter sozialer Interaktionen.
Tamara Friedenberger trug den Workshop „Prototyping AI-Experiences“ zum WUD Würzburg 2025 bei.
Dr. Stephan Huber
Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie
Stephan Huber studierte Human-Computer-Interaction in Würzburg und promovierte zur Erkennung von Emotionen in UX Studien. Seine Forschungsinteressen umfassen UX in sicherheitskritischen Bereichen, Inclusive Design, und die Weiterentwicklung von Methoden für User Researcher und Designer.
Stephan Huber moderierte den WUD Würzburg 2025 und organisiert den WUD Würzburg seit 2018.
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