Rückblick 2014
World Usability Day 2014 – Würzburg
Das Thema Usability stand im Mittelpunkt einer Tagung, die am Donnerstag, 13. November, in Würzburg stattgefunden hat. Im Rahmen einer interaktiven Ausstellung wurden über 100 Besuchern brandaktuelle Projekte im Bereich Usability vorgestellt. Führende Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft befassten sich in der halbtägigen Veranstaltung in Vorträgen und Diskussionen mit unterschiedlichen Themen nutzerorientierter Gestaltung in folgenden Bereichen:
Vorträge
Usability Problems: Classic, Modern & Contemporary
Dr. Tobias Grundgeiger
Lehrstuhl Psychologische Ergonomie, Universität Würzburg
Dr. Tobias Grundgeiger promovierte 2010 in angewandter Kognitionsforschung an der University of Queensland in Australien und ist seit 2012 an der Julius-Maximilians-Universität als Wissenschaftler und Dozent tätig. Seine Forschungsthemen beschäftigen sich mit Menschen in sicherheitskritischen Arbeitsplätzen, wie dem Gesundheitswesen, mit dem Ziel die Leistung dieser Mensch-Technik Systeme sicherer zu gestalten.
Der Usability („Gebrauchstauglichkeit“) wurde in den letzten 25 Jahren von Forschung und Unternehmen erhöht Aufmerksamkeit geschenkt und Usablitiy ist nun durch den Erfolg von Smartphones und Tablets auch für die breite Masse von Nutzern ein Begriff geworden. Die Erforschung und Lösung von Usabilityproblemen hat jedoch schon eine längere Tradition. In dieser Präsentation werde ich verschiedene geschichtliche Phasen der Erforschung und Lösung von Usabilityproblemen anhand von Beispielen vorstellen und einen einführenden Überblick über das Thema „Usability“ geben.
Nutzerorientierte Fahrerarbeitsplatz-Entwicklung im Lkw
Dr. Britta Michel und Andreas Zimmermann
MAN Truck & Bus AG
Dr. Britta Michel studierte Sonderpädagogik sowie Lehramt für Sonderschulen an der LMU München. Neben einer freiberuflichen Tätigkeit als Sprachtherapeutin für Hörgeschädigte arbeitete sie bei MAN Truck & Bus AG im Bereich Vorentwicklung und führte unter anderen Lkw-Fahrsimulator-Untersuchungen durch. Im Jahr 2013 schloss sie ihre berufsbegleitende Promotion an der TU München ab und arbeitet heute bei MAN Truck & Bus AG als Entwicklerin im Bereich Research.
Das “Forschungszentrum Fahrerarbeitsplatz“ der MAN Truck & Bus AG sieht den Nutzer (Lkw- bzw. Busfahrer) als Experten in der Entwicklung von Bedien- und Anzeigekonzepten. Die Analyse von Bedürfnissen, Arbeitsabläufen und Verhalten ist dabei wichtiger Bestandteil der nutzerorientierten Fahrerarbeitsplatzentwicklung. Der Vortrag zeigt konkrete Beispiele, mit Hilfe welcher Methoden und Werkzeuge der Lkw-Fahrer optimal in den Entwicklungsprozess integriert werden kann.
Ein Lkw-Fahrer im Fernverkehr verbringt täglich bis zu zehn Stunden an seinem Arbeitsplatz. Darüber hinaus dient das Fahrerhaus als Büro, Wohnzimmer und Schlafzimmer. Anhand des Beispiels einer ergonomischen Analyse dieser Fahrerumgebung im Fernverkehrs-Lkw werden die verschiedenen Möglichkeiten für den Lkw- und Busfahrer, sich in die Entwicklung einzubringen, dargestellt: Workshops, Befragungen, Simulatorversuche sind hier nur einige Beispiele, die den nutzerorientierten Ansatz verdeutlichen sollen. Dargestellt wird eine Analyse der Umgebung, die ein Fernfahrer in seinem Fahrerhaus vorfindet. Dabei werden neben quantitativen Fragebogenerhebungen auch qualitative Methoden wie eine Beobachtung und Mitfahrten im Lkw eingesetzt, um die Interaktion zwischen Lkw-Fahrer und dessen Umgebung besser erfassen zu können.
Usability ist nicht alles – aber wenn man nicht an alles denkt, wird’s auch nichts!
Claus Knapheide
Siemens Health Services
Claus Knapheide ist seit gut 20 Jahren für Siemens im Bereich User Interface Design unterwegs und hat dabei vornehmlich Produktentwicklungen im Bereich Healthcare verantwortet. Erfahrungen aus anderen Industrien, z.B. in der Gebäudeautomatisierung und auch im Konsumentenbereich haben seinen Erfahrungsschatz bereichert.
Er arbeitet immer in interdisziplinären Teams aus Informatikern, Psychologen und Ingenieuren und bringt persönlich eine handlungstheoretische Perspektive ein.
Im Laufe der letzten 6 Jahre haben wir damit begonnen, neue Bedienoberflächen für i.s.h.med zu gestalten, die inzwischen im Markt und bei unseren Bestandskunden ankommen. i.s.h.med ist ein Krankenhausinformationssystem für Ärzte und Pflege; die Nutzer erhalten damit elektronisch Zugang zur Patientenakte und Kurve, sie planen die nächsten Behandlungsschritte (Aufträge, Verordnungen, Anordnungen, Pflegemaßnahmen) und dokumentieren, was sie am Patienten beobachten.
Eine Plattformrenovierung ist eine erstaunlich aufwändige, ja zähe Sache, und im Vortrag will ich darstellen, welche Dimensionen sich für unsere Arbeit an den Bedienoberflächen als wesentlich herausgestellt haben. Am Ende ist die Umstellung gut gelungen, was nach meiner Überzeugung daran lag, dass wir einerseits eine attraktive, tragfähige User Experience gestalten konnten, mit der sich Beteiligte (Hersteller, Kunden-IT, Nutzer; Neukunden und Bestand) identifizieren konnten. Andererseits haben wir erfolgreich dafür gesorgt, sämtliche Entscheider, Stimmungsmacher, auch die Skeptiker mit einzubeziehen und zu gewinnen.
Gutes UI ist möglich, wenn man die Herzen und Hirne der Beteiligten erreicht.
UCD und Change Management
Henning Brau
UID
Henning Brau studierte Ingenieurpsychologie an der TU Berlin. Danach folgte freiberufliche Tätigkeit als Marktforscher und Usability-Consultant. Er war seit Mai 2003 zunächst in der Forschung später im zentralen IT Management der Daimler AG tätig. Dort war er bis 2010 verantwortlich für das Themenfeld User-Centered Technologies. Aktuell ist er als Director User Experience bei der User Interface Design GmbH (UID) in München tätig. Dort betreut er vor allem UX Strategie und Change Management Projekte. Er veröffentlichte zusammen mit Florian Sarodnick ein Fachbuch über Methoden der Usability-Evaluation (Hans Huber:2011). Von 2007 bis 2014 war er Mitglied des Vorstands der German UPA. Weiterhin arbeitet er im ‚Arbeitskreis Benutzungsschnittstellen‘ des Deutschen Normungsinstituts (DIN) an Normen im Bereich Usability / User Experience mit.
Usability Engineers sind geübt darin, für ihre internen wie externen Kunden User-centered Design (UCD) Prozesse zu erstellen und deren Inhalte in Trainings zu vermitteln. Damit sollen Entwicklungsbereiche in Unternehmen selbständig nutzerzentrierte Systeme entwickeln können. Doch nach einer Weile stellt man fest, dass die Organisation zunehmend in alte nicht-nutzerzentrierte Verhaltensmuster zurückfällt. Man erkennt: Es bedarf deutlich mehr als einen Stapel Dokumente und einige Trainings, um eine nachhaltige Veränderung auszulösen. Im Vortrag werden wir uns die Physik der organisationalen Veränderung anschauen und UCD als unbekannten Business Enabler kennenlernen. Zwei Strategien zum Veränderungsmanagement werden beleuchtet und einige Best Practices vorgestellt.
Narrative Interaktionsmodelle und die Kraft der Emotionen
Nach einer Lehre zum Grafischen Zeichner studierte Erich Schöls Visuelle Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd. Als Mitarbeiter bei Doublespace Inc. in New York City konzentrierte er sich bereits 1990 auf das Gebiet der digitalen Informationsgestaltung. Zwischen 1993-2000 war er Gesellschafter und Geschäftsführer der Wekemann+Schöls GmbH in Stuttgart, aus der im Anschluss die von ihm gegründete artismedia GmbH hervorging. Nach mehreren Jahren Lehrtätigkeit an diversen Designhochschulen im In- und Ausland wurde er 2000 an die Fakultät Gestaltung der Hochschule Würzburg-Schweinfurt berufen, wo er den Studienschwerpunkt »Interaktive Medien« leitet.
2004 gründete er das Steinbeis-Forschungszentrum Design und Systeme, welches sich mit der angewandten, interdisziplinären Forschung und Entwicklung im Bereich der digitalen Informations- und Kommunikationsmedien beschäftigt.
Menschen sind fasziniert von guten Geschichten. Konzentriert verfolgen sie die Handlung und merken sich über lange Zeit jedes noch so kleine Detail. Obwohl unsere Wahrnehmung zunehmend unter den wachsenden Informationsmengen leidet, treffen narrative Modelle ganz offensichtlich immer noch unsere Neugier und unser uneingeschränktes Interesse. Es ist also nur naheliegend, diese Faktizität auch bei komplexen Interaktionsaufgaben zu berücksichtigen, da dadurch eine bessere Akzeptanz, ein besseres Verständnis und eine emotionalere Verbindung zum Inhalt zu erwarten ist.
Narrative Bedienkonzepte verbinden also Sinngehalt und Interface synergetisch und stellen dadurch die Bedeutung einer Geschichte in den Vordergrund. Dies ist entscheidend, denn in erster Linie ist der Inhalt wichtig und nicht der Weg dort hin.Im Rahmen des Vortrags wird der beschriebene Zusammenhang anhand einiger Beispiele aus Forschung und Lehre verdeutlicht.
Mit User Research zur Sozialen Innovation
Jan Preßler
CaderaDesign
Jan Preßler beschäftigt sich seit 2011 mit Themen rund um Usability, User Experience und Design Thinking. Seit 2011 ist er ein aktives Mitglied der German UPA im Arbeitskreis der Nachwuchsförderung und war u.a. studentischer Referent bei der German UPA Usability Summer School. Seit 2013 arbeitet er im Bereich Usability Engineering bei der Würzburger Agentur CaderaDesign. 2013 war er zusätzlich auch als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie eingestellt. Er konzipierte mit Prof. Dr. Jörn Hurtienne unter anderem die Lehrveranstaltung „Mobile User Experience Design“ und ist Gastautor des Buches „UX Design für Tablets“. Er ist ein Preisträger der Usability Challenge 2014 der Gesellschaft für Informatik.
Ganz nach dem Sinne des Mottos des World Usability Days 2014 „Enganging the User“ wird der Vortrag „Mit User Research zur Sozialen Innovation“ einen Überblick und Einblick in verschiedene User Research Methoden geben, um Menschen in einen Designprozess zu involvieren, sie zu faszinieren und schlussendlich zu inspirieren. Mit Hilfe dieser Methoden lassen sich menschzentrierte Konzepte und im Idealfall auch Soziale Innovationen entwickeln, welche tatsächliche Probleme in der Gesellschaft lösen können. Anhand eines Gewinnerprojektes der Usability Challenge 2014 der Gesellschaft für Informatik werden diese Methoden veranschaulicht.